Vor ein paar Wochen war ich auf Spiekeroog. In den Dünen sah ich am Boden schwarze Nacktschnecken. Die sind doch sonst braun!? Da waren Kleine und Große, manche waren einzeln unterwegs, andere in Gruppen. Ich ging und ging, guckte und guckte. Die Wolken verzogen sich, der Weg stieg an, hätte ich den Kopf gehoben, hätte ich das Meer gesehen. Ich habe nichts davon gemerkt; ich habe Schnecken geguckt.
Im Alltag ist das ähnlich: Wir sind auf einige Themen konzentriert und bekommen vieles nur am Rande oder gar nicht mit. Als Beraterin höre ich zu, wie du mir von "deinen Schnecken" erzählst und frage nach - als würde ich beim Spazierengehen sagen: "Hörst du das Meer?" oder "Siehst du , dass es heller geworden ist?" Du entscheidest, wie es weitergeht. Vielleicht ist das Meer interessanter als die Schnecken. Vielleicht sind die Schnecken so interessant, dass es völlig egal ist, dass die Sonne rauskommt.
In der narrativen Praxis erkennst du mehr als "deine Schnecken". Das Bild von dir und deinem Leben wird bunter und mehrdimensional. Oft genügt es, deine Geschichte jemandem zu erzählen, der hinhört und neugierig ist auf alle Facetten. Manchmal wirst du im Gespräch oder bald danach erleben, dass der klarere Blick auf Vergangenes dich stark macht für heute und morgen.
Wenn du das Gefühl hast, emotional in einer Sackgasse zu stecken, wenn du eine festgefahrene Situation auflösen möchtest, wenn du eine andere, umfassendere Sicht auf deine Geschichte suchst, bist du hier richtig.
Du erzählst, und während du die richtigen Worte findest, ist es, als ob sich die Puzzlesteine deines Bildes von selbst an die richtige Stelle legen.
Du erkennst Muster, die sich durch dein Leben ziehen. Das kann amüsant sein oder ärgerlich. Und es kann dazu führen, dass du Dinge künftig ganz genau so oder eben ganz anders machst.
Beim Erzählen wirst du deine Geschichte neu erleben. Auf einmal siehst du z. B., dass dein bisheriges Verhalten gar nicht deine Entscheidung war, sondern weil "man" es so macht.
Wenn du mehr Facetten deiner Geschichte siehst, erkennst du, wer du selbst bist und was du selbstbewusst für dich einfordern kannst.
"Ich bin den ganzen Heimweg gehüpft vor Freude", sagte Rabauke Ferdi nach der bei katholischen Viertklässlern obligatorischen Erstbeichte.
Auch wenn ich längst aus der Kirche ausgetreten bin, weiß ich, wie gut es tut, sich etwas von der Seele zu reden. Die Absolution kann ich dir nicht erteilen, aber ich wette, das machst du selbst.
Manchmal ist es wie verhext: Die "schwarzen Schnecken" in deinem Leben sind so dominant, dass du gar nicht siehst, dass du mit einem großen Schritt über sie hinwegsteigen kannst.
Beim Erzählen bemerkst du womöglich genau das. Und - zack - ist der Mut da, diesen Schritt zu versuchen.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.